55 Juden ankern an der Donau, Presseartikel der Zeit

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55 Juden ankern auf der Donau

Preßburg. Wie bereits gemeldet, befindet sich der französische Schlepper Duenia mit den als lästigen Ausländern abgeschobenen Juden an der ungarischen Grenze bei Ragensdorf. In den letzten Tagen mußten die 55 Juden Strohsäcke stopfen, den Schlepper reinigen und sind nunmehr halbwegs wohnlich untergebracht. Damit ist aber das Problem noch nicht gelöst, weil der Schlepper an der Grenze nicht bleiben kann. Die französischen Behörden zeigten sich trotz der Intervention von Preßburger Juden nicht sehr geneigt, die Flüchtlinge aufzunehmen, weil sie bereits hinreichend schlechte Erfahrungen mit anderen Emigranten gemacht haben. Die ungarischen Behörden haben dem Schlepper eine letzte Frist für den Aufenthalt erteilt. Nicht weniger als zehn ungarische Gendarmen bewachen Tag und Nacht das am ungarischen Ufer liegende Schiff. Damit die ungebetenen Gäste nicht in das Innere des Landes flüchten. Die Preßburger Juden führten auch in den letzten Tagen Sammlungen für ihre Glaubensgenossen durch. Sollte die Krise in den nächsten Stunden nicht gelöst werden können und sollten sich die ungarischen Behörden wegen der weiteren Aufenthaltsbewilligung unerbittlich zeigen, dann wird der Schlepper vorläufig mitten in der Donau, die international ist, ankern müssen; dadurch ergeben sich jedoch Verkehrsschwierigkeiten. Montag ist der Direktor der französischen Donau-Schiffahrtsgesellschaft, der der Schlepper gehört, im Flugzeug in Preßburg eingetroffen. Die französische Schiffahrtsgesellschaft sieht sich vor einem schwierigen Problem, weil vorläufig wenig Hoffnung besteht, die jüdischen Emigranten nochmals von dem Schlepper zu bekommen, da kein Land sie aufnehmen will. Es finden deshalb in Preßburg Beratungen statt. Der Direktor der französischen Gesellschaft hat sich mit der Rotterdamer Alliance Israelite Universelle in Verbindung gesetzt, die die Emigranten irgendwo unterbringen soll.